Dienstag, 22. Mai 2012

Peter und der Drache

Ein Interview mit Steffi Stefan, dem langjährigen Bassisten des Panikorchesters hat mir ein lang zurückliegendes Ereignis meiner Karriere ins Gedächtnis gerufen. Die Assoziationskette führte über zwei deutsche Ausnahme-Musiker - Drummer Bertram Engel und Keyboarder Jean-Jaques Kravetz - zu Peter Maffay. Doch wer ist dann der Drache?
Es war 1994 in jener merkwürdigen Zeit zwischen Zivildienst und Studium, in der ich mich auf die Aufnahmeprüfung an einer Musikhochschule vorbereitete. In dieser Zeit des Müßiggangs legte mir mein Papa einen kleinen Ausschnitt aus dem Mannheimer Morgen auf den Tisch. Peter Maffay inszenierte sein neues Rockmusical und hatte zu diesem Behufe die Mannheimer Maimarkthalle für zwei Monate angemietet. Und er suchte Hospitanten, was soviel heißt wie unbezahlte Praktikanten. Das wäre doch was, dachte auch ich, nahm meinen Mut zusammen und schickte ein Bewerbungsschreiben. Und wenige Wochen später stand ich in der Mannheimer Maimarkthalle, um zu sehen, wie die Profis ein Rockmusical inszenieren und produzieren.
Helm Heine hat den kleinen Drachen gezeichnet, um den es hier geht. Und Maffay hatte damals die dritte CD für Kinder unter dem Titel "Tabaluga und Lilli" veröffentlicht. Das Musical sollte ein Zusammenschnitt sein aus der Musik aller drei CDs, natürlich mit Schwerpunkt auf das letzte Oeuvre. Aufführungsorte sollten die größten Hallen in Deutschland sein, Premiere in der Messehalle in Frankfurt (Main), in der Olympiahalle musste bereits wegen der zu hohen Dachlast das Rigging reduziert werden. Mannheim eignete sich nur als Probenort, in die Maimarkthalle passte zwar die gesamte Bühne samt Technik hinein, allerdings hätte dann kein nennenswertes Publikum mehr Platz gefunden.
Die Köpfe hinter der Sache waren neben Maffay vor allem:
  • Fritz Rau, der Konzertveranstallter 
  • Andràs Fricsay Kali-Son als Autor und Regisseur 
  • Danny Herman als Choreograph 
Eindrucksvollster Schauspieler war "Staatsschauspieler" Rufus Beck, der die Rolle des Magiers übernahm - quasi eine Erzählerrolle, die durch das Stück geführt hat. Rufus Beck schwamm damals gerade mächtig auf der Erfolgswelle durch seine Rolle in der Filmkomödie "Der bewegte Mann". Die Probenzeit über trug er meistens eine Glatt-Lederhose - er meinte, das sei ein äußerst praktisches Kleidungsstück für die Reise- und Tournee-Tätigkeit, weil man sie nicht ständig waschen müsste, feucht überwischen würde schon reichen. Rufus war damals erfrischend normal, bodenständig und man hatte keine Berührungsängste vor ihm. Arbeiten mit ihm machte Spass.
Etwas anderes war das mit der Sängerin Alexis, die die Rolle der Lilli spielte. Diese hatte die Stimme der Lilli im Song "Ich fühl wie Du" auf der dazugehörigen CD gesungen. Und ich kann mich auch heute an sie nur als ein arrogantes Luder erinnern, das sich im Vergleich mit allen dort Beteiligten (einschließlich Maffay und Band, Stefan Remmler, Andràs und Danny) als etwas besseres dünkte. Die Nase der jungen Dame war permanent über Augenhöhe.
Mit mir machten noch zwei andere Hospitanten Dienst, Lukas und eine junge Frau, die das Hobby allerdings aus Zeitmangel nach zwei Wochen wieder aufgeben musste.
Was macht man als Hospitant bei so einer Produktion? Viele Bring- und Hol-Dienste, Double bei den Lichtproben - und eine meiner wichtigen Tätigkeiten war: Bei den Tanzproben das Kassettendeck bedienen. Also: Zählzeiten ins Skript schreiben und zwanzig mal das Tape an die richtige Stelle spulen und abspielen.
Das Tanz-Korps bestand aus ca. 20 jungen amerikanischen Tänzerinnen und Tänzern - wenn ich sage jung, meine ich das auch, speziell die Damen waren etwa so alt wie ich - und während ich noch von einem Musik-Studium träumte, waren sie schon erfolgreich auf der Bühne. Damals fand ich das enorm frustrierend - die Einstellung zur Tanzkarriere hat sich aber schnell relativiert vor dem Hintergrund, dass die Bühnenkarriere ja auch früh wieder zu Ende ist und nicht jeder Tänzer Choreograph werden kann; weder vom Talent noch von der Masse her. Diese Weisheit habe ich vom Choreographen Danny Herman mitbekommen; dieser ist mir als hart arbeitender konsequenter Mann in Erinnerung geblieben, der die Choreographie während des Einübens entwickelt und die einzelnen Schritte immer vorgetanzt hat.
Das Verhältnis zwischen Regisseur und Choreograph in so einer Produktion ist prinzipiell ein schwieriges, wie ich beobachten konnte: Denn wo nicht getanzt wird, übernimmt nahtlos wieder die Regie, die aber natürlich auf den Tanz auch Einfluss nehmen möchte. Andràs Fricsay ist ein Bär von einem Mann, seinerzeit mit (rasierter) Glatze, immer in vorwiegend schwarz gekleidet und gerne auch mal sich mit Totenkopf-Motiven schmückend. Gerne einen lockeren Spruch auf der Lippe, hat er Rufus Beck immer den "Herrn Staatsschauspieler" genannt. Aber auch ein genialer Regisseur, der auch mit der Musik auf den Punkt inszeniert hat - ich erinnere mich an eine Szene, in der sich Tabaluga und Lilli um den Hals fallen ; und dies so genau synchronisiert auf die Musik, dass allen Anwesenden schon in der ersten Probe (ohne Kostüme) wonnige Schauer über den Rücken liefen.
Und über allem schwebte - als guter Geist und graue Emminenz - der weiß-bärtige Fritz Rau als Produzent und Veranstalter.
In ein paar Folge-Artikeln werde ich noch ein wenig mehr zu speziellen Erfahrungen und Erinnerungen schreiben. Aber schon mal vorweg das Fazit: Die Produktion von Beginn der Probenarbeit bis zur Premiere mitzuerleben, war eine tolle und auch durchaus prägende Erfahrung - die Professionalität mit der dort gearbeitet wurde, hat mich auch in nicht Musik- und Bühnenbelangen beeinflusst.